7. Fachtag Arbeit: Der allgemeine Arbeitsmarkt muss sich für Menschen mit Behinderung öffnen

Fachtag von DGSP und gpe zum Thema „Inklusive Arbeit – auch in Corona-Zeiten“

Der 7. Fachtag Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie e.V. (DGSP) fand in Kooperation mit der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (gpe) am 30. September 2021 online statt. Bei der ursprünglich in Mainz geplanten Veranstaltung konnten rund 95 Teilnehmer*innen aus ganz Deutschland via Zoom den Impulsvorträgen folgen. Anschließend luden acht Workshops zu vertiefenden Diskussionen ein. Ein Leitthema der Tagung waren Folgen der Pandemie für die berufliche Teilhabe psychiatrieerfahrener Menschen.

Landesregierung steht zur Förderung von Inklusion

Die Pandemie prägte den Auftaktvortrag von Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer. Für die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt war sie ein deutlicher Rückschlag. Von August 2020 bis August 2021 sei die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen in Rheinland-Pfalz zwar um 3,9 Prozent zurückgegangen. Dennoch sinke die Arbeitslosigkeit in dieser Personengruppe langsamer als bei anderen. „Gerade während der Pandemie wurde deutlich, dass gemeinsame Anstrengungen von Wirtschaft, Arbeitsverwaltung und Politik notwendig sind, um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden. Deshalb sind Maßnahmen der Landesregierung weiter nötig, um besonders die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung zu fördern“, sagte Schweitzer. Für Rheinland-Pfalz hob er hervor, dass die Integrationsfachdienste im Bereich Berufsbegleitende Dienste dazu beitragen, schwerbehinderte Menschen bei Problemsituationen im Arbeitsleben zu beraten und zu unterstützen. Die Landesregierung plane in den kommenden Jahren zudem die Zahl der Inklusionsfirmen auszubauen, in denen derzeit über 1.000 Menschen mit einer Behinderung beschäftigt sind. Hier gelte es, gute Beispiele zu stärken und Vorbilder zu nutzen, um die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen.

Hürden überwinden

Gute Beispiele findet man in Baden-Württemberg. Der Leiter des Referats „Teilhabe am Arbeitsleben“ im Integrationsamt des Kommunalverbands für Jugend und Soziales BaWü (KVJS), Berthold Deusch, berichtete über das regionale Programm „Arbeit inklusiv“. Es fördert seit 2005 betriebliche Arbeitsplätze für Menschen mit wesentlicher Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und setzt dafür finanzielle Anreize für Unternehmen, wenn sie Arbeitnehmer*innen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf einstellen. Darüber hinaus begleiten Integrationsfachdienste die Arbeitsverhältnisse und kümmern sich um die individuelle Förderung. So konnten bislang über 5.000 nachhaltige Jobs in „normalen“ Betrieben erschlossen werden. Trotzdem scheinen die Hürden hoch, zumal es bei dieser Art von Förderung auf explizite Netzwerkarbeit und auf ein gutes verwalterisches Verständnis ankommt.

Wabenübergreifend arbeiten

Thematisch schloss sich der Impulsvortrag von Dr. Irmgard Plößl vom Rudolf-Sophien-Stift in Stuttgart an. Sie sprach als Werkstatt-Leiterin und Fachautorin von „wabenübergreifender“ Arbeit und meint damit, dass das komplexe sozialpsychiatrische System, in dem Menschen mit psychischer Beeinträchtigung leben und arbeiten, oftmals zu wenig durchlässig und -sichtig ist und die einzelnen Angebote gut daran täten, übergreifend enger zusammen zu arbeiten, um die Bedarfe der Arbeitsnehmer*innen wirklich zu erkennen und zu bedienen. Zudem sei es wichtig, einen barrierefreien Zugang zu fördern.

Aus der Praxis

In den anschließenden Workshops konnten die Teilnehmer*innen am Beispiel inklusiver Bioläden und Städtischem Gartenbau erfahren, welche Potenziale soziale Projekte für eine nachhaltige Stadtentwicklung haben, und wie persönliche Erfahrungen mit Krankheit und Genesung im beruflichen Kontext eingesetzt werden können. Weitere Workshops beschäftigten sich etwa mit den unterschiedlichen Möglichkeiten des Übergangs von der Werkstatt in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder loteten Risiken, Nebenwirkungen und Chancen aus, die durch die Corona-Pandemie im Arbeitsumfeld entstanden sind. Lebhaft diskutiert wurde, wie das das Konstrukt der „dauerhaften vollen Erwerbsminderung“, das gerade junge Menschen nach einer Erkrankung oft in Armut stürzt, zu überwinden ist. Interessant in diesem Zusammenhang war schließlich die Präsentation einer Studie mit Praxisbeispielen zum Prinzip des IPC Coaching, das Menschen schnell im allgemeinen Arbeitsmarkt platziert und sie quasi „on the job“ qualifiziert.

Luft nach oben

„Die Referent*innen und Workshopleiter*innen des Fachtags haben drängende Fragen unserer Zeit aufgegriffen“, lautete das Fazit von Jörg Greis, Geschäftsführer der gpe in Mainz. Sie hätten vielversprechende Wege aufgezeigt, mehr Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bringen. Denn obwohl die gpe mit mehreren eigenen Inklusionsbetrieben gut aufgestellt sei, gebe es hier noch sehr viel Luft nach oben.

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CAP-Märkte der gpe in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen

Die gpe muss aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die CAP-Märkte in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen.

Gestiegene Lebensmittelpreise führten bundesweit zu einem verändertem Konsumentenverhalten. Es werden zunehmend „Whitelabel“ Produkte, also Eigenmarken, gekauft. Damit sinkt die Gewinnmarge. Bei gleichbleibenden Wert des Einkaufsbons, aber kontinuierlich sinkenden Kundenzahlen und steigenden Energie- und Lohnkosten, entsteht ein erhebliches Defizit. Dies macht es der gpe unmöglich, die Märkte weiterhin als Inklusionsbetriebe zu betreiben.

Mit Vorlage des wirtschaftlichen Halbjahresergebnisses, welches für beide CAP-Märkte jeweils ein Defizit im sechsstelligen Bereich ausweist, musste die Entscheidung getroffen werden, diese zu schließen.

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit besonderem sozialen Auftrag. Sie unterliegen den ganz normalen marktwirtwirtschaftlichen Gegebenheiten. Zwischen 25 % und 50 % des Personals sind Menschen mit Behinderung. Inklusionsbetriebe haben daher oftmals einen höheren Personaleinsatz, da nicht alle Mitarbeiter mit Behinderung die volle Arbeitsleistung erbringen können.

Den Mitarbeitenden des CAP-Marktes Jugenheim wurde dieser Entschluss Ende  Juli mitgeteilt, die Schließung erfolgt zum 31.10.24.

Seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe stehen die Mitarbeitenden täglich unter Druck, sich vor Kunden rechtfertigen zu müssen. Zudem werden sie mit Gerüchten und Spekulationen konfrontiert, wie beispielsweise, dass der Markt bewusst nicht mehr vollständig beliefert werde, wenn mal ein Artikel ausgeht, oder dass technische Mängel absichtlich nicht behoben würden. Dies führt zu einer zusätzlichen und erheblichen Belastung für die Mitarbeitenden, die sich selbstverständlich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen.

Um eine solche Situation in Weisenau zu vermeiden, haben wir uns entschieden, die Mitarbeitenden zeitnah vor der Schließung zu informieren. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem klar war, dass für alle eine Weiterbeschäftigung innerhalb der gpe gesichert werden kann. Diese Entscheidung trägt dazu bei, den psychischen Druck auf unsere Mitarbeitenden zu minimieren und ihnen gleichzeitig die Sicherheit zu geben, dass sie auch weiterhin ein Teil unseres Unternehmens bleiben werden. Es wird daher keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Als gpe sind wir immer bestrebt neue Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu generieren und zu schaffen. Die Schließung von Betriebsstätten ist auch für uns ein sehr schwerer Schritt.