Der Künstler

Text von Marta Thor

Schwebende Ananas - Stillleben“. Technik: Aquarell und Grafitzeichnung. Hintergrund violett, Ananas mit Flügeln in sw

Bild: „Schwebende Ananas - Stillleben“. Technik: Aquarell und Grafitzeichnung in den Maßen 48 cm x 36 cm vom Juli 2020.

Markus Stättler* ist ein Künstler. Aufgrund einer psychischen Vorerkrankung wäre es für ihn schwer, ohne die teilautonome Gruppe „FarbWerk“ der gpe seine Werke auszustellen.

Mit einer eleganten Bewegung setzt Markus Stättler den Stift an. Geschwungene Linien formt er zu einem Blumenstrauß. Immer wieder setzt er ab, betrachtet das Bild, greift in die Box mit den bunten Markern, sucht eine andere Farbe heraus. Ein Kunstwerk ist sein Strauß noch nicht, aber durchaus eine gelungene grafische Spielerei.

Markus Stättler ist schon seit 18 Jahren bei der gpe. Über die Tagesstätte der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen (gpe) in der Kaiserstraße fand der 58-Jährige seinen Weg über diverse Abteilungen immer wieder zurück zur Kunst. Heute ist er der Sprecher der teilautonomen Gruppe „FarbWerk“, einem Nachfolgeprojekt der Kunstwerkstatt BUNT in Mainz, die 2023 geschlossen wurde.

Ein bisschen wirkt Stättler wie der Lehrer der Gruppe, nicht nur aufgrund seines Alters. Das akkurat nach hinten gekämmte, graue Haar und die Brille mit dem schwarzen Metallrand, verleihen ihm ein distinguiertes Aussehen, Typ „sensibler Künstler“. Nach dem Abitur studiert Stättler Grafikdesign, bricht das Studium aber kurz vor dem Abschluss ab. Anschließend erlernt er den Beruf des Mediengestalters, doch die Konzentrationsschwierigkeiten machen ihm zu schaffen. Stättler hat eine seelische Grunderkrankung, die ihn weniger belastbar als andere Menschen macht. Er hat oft das Gefühl, nicht weiterzukommen im Leben. Als eine Lebensentscheidung eine größere Krise auslöst, landet er schließlich vor 34 Jahren in Mainz statt zurück in Hamburg.

Seitdem lebt Stättler alleine in einer Mietwohnung in der Mainzer Altstadt. Er kann problemlos für sich selbst sorgen, geht regelmäßig zur Therapie. Nur im Arbeitsleben, insbesondere in der hektischen Medienbranche, kann er aufgrund seiner eingeschränkten Belastbarkeit keinen Fuß hineinbekommen. An dem Druck würde er zerbrechen. Die sieben Jahre in der Kunstwerkstatt "bunt & bündig“ waren für ihn „die schönsten Berufsjahre“.

Doch der erste Arbeitsmarkt spiele keine Rolle mehr für ihn, sagt Stättler nach Erfahrungen an einem Außenarbeitsplatz, den er mit Bedauern aufgeben musste. Er sieht sich selbst ohnehin mehr als Künstler. „Das ist einfach mein Ding.“ In der teilautonomen Gruppe FarbWerk in den Räumlichkeiten der gpe in der Galileo-Galilei-Straße, geht er auf. Eine pädagogische Betreuung wie bei anderen Angeboten der gpe gibt es hier nur auf Wunsch.

An zwei Vormittagen in der Woche schaffen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Kunstwerke mit dem Ziel, am Ende des Jahres eine Ausstellung auf die Füße zu stellen. Manchmal, wie früher bei BUNT, kreieren sie Auftragsarbeiten. Ihre Bilder werden verkauft, 30 Prozent erhält der Künstler oder die Künstlerin, der Rest geht an die gpe.

Aber Finanzielles spielt für Stättler ohnehin eine eher untergeordnete Rolle.

Stättler ist dankbar, dass er durch die gpe die Möglichkeit erhält, zu glänzen und seine Werke der Öffentlichkeit zu präsentieren. Durch die Gruppe habe er das Gefühl, ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. „Man wird wieder wahrgenommen. Ich habe sogar schon Wettbewerbe gewonnen. So etwas baut die Leute einfach wieder auf.“ Die Anerkennung sei gut fürs Selbstbewusstsein. „Erfolg durch Leistung ist ein gutes Gefühl“, sagt Stättler verträumt lächelnd und greift wieder in seine Stiftebox.

*Name geändert

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