Die Rahmenbedingungen sind begrenzt veränderbar

Interview mit Gudrun Sander, Sozialpädagogin, Sozialpädagogische Fachkraft Inklusionsbetriebe, gpe

Frau Sander ist seit 2002 in der gpe beschäftigt, begonnen hat sie im ServiceCenter, seit 2015 ist sie als pädagogische Mitarbeiterin zur Unterstützung von Menschen mit Behinderung in Inklusionsbetrieben tätig.

Gudrun Sander beschreibt ihren Job wie folgt:

„Ich schaue, passen die Arbeitsbedingungen zu den Menschen und deren Fähigkeiten? Sind die Rahmenbedingungen für alle Beteiligten in Ordnung? Wie können vorhandene Kompetenzen noch weiter gestärkt werden?“

Zu festen Zeiten fährt Gudrun Sander in die einzelnen Betriebe, das sind das Hotel INNdependence, die beiden CAP-Märkte in Jugenheim und Weisenau sowie die natürlich Bioläden in Ingelheim und Mainz. Die Gespräche mit den Mitarbeiter*innen müssen vorab geplant sein, da sie sie nicht einfach aus dem laufenden Betrieb herausnehmen kann.

Frau Sander berichtet von Beispielen ihrer Arbeit:

„In einem unserer Betriebe arbeitet jemand mit erheblichen Problemen beim Schreiben und Lesen. Da haben wir das Institut für Lerntherapie hinzugezogen, dort hat man Grundkenntnisse vermittelt, diese Maßnahme war auch Teil der Arbeitszeit. Darüber hinaus haben wir verschiedene Methoden entwickelt, beispielsweise gibt es vorgefertigte Bestellzettel, so dass das Gewünschte einfach angekreuzt wird.“

Die Einheiten in dem Institut für Lerntherapie sind inzwischen beendet. Wöchentlich liest Frau Sander nun mit dem Mitarbeitenden ein paar Seiten in einem Buch in einfacher Sprache, um die Lesekompetenz zu erhalten.

„Jemand anderes, hatte Probleme mit der Merk- und Konzentrationsfähigkeit. Als Sofortmaßnahme haben wir ein Karteikarten-System angelegt. Darin sind einzelne Abläufe kurz beschrieben. Wenn derjenige sich unsicher ist, wie etwas funktioniert, kann darauf zurückgriffen werden. Um langfristig eine Besserung zu erzielen, haben wir denjenigen an unsere eigene Ergotherapiepraxis weitervermittelt, um dort ein entsprechendes Training zu absolvieren“, so Frau Sander weiter.

Im Bioladen natürlich in Mainz wurde ein Mitarbeiter zum Betriebsarzt begleitet, der Arzt hat Empfehlungen erteilt, wie die Beschwerden gelindert werden können. Frau Sander hat den Mitarbeitenden unterstützt, diese Maßnahmen wirklich konsequent umzusetzen, so dass es ihm inzwischen deutlich besser geht.

Frau Sander ergänzt: „Auch Schulungen zur Arbeitssicherheit, entweder einzeln oder in kleinen Gruppen, gehören zum meinem Arbeitsfeld. Wenn ich während meiner Präsenzzeiten in den Betrieben bin und es gibt keinen Gesprächsbedarf, dann arbeite ich regulär im Betrieb mit. So lerne ich die Abläufe besser kennen und sehe auch, ob es eventuell doch noch irgendwo hakt.

Das bedeutet konkret, dass ich auch mal Ware einräume oder im Bistro mitarbeite.

„Der Reiz für mich an dieser Arbeit ist insbesondere die Verbindung der sozialen mit der praktischen Arbeit. Ein Job in einem Büro, wo ich beispielsweise als Sachbearbeiterin tätig wäre, das würde nicht zu mir passen. Ich finde die Menschen, die ich begleiten darf, sehr interessant bei all ihrer Unterschiedlichkeit.“

„Die Herausforderung in dem Job ist der Spagat zwischen dem wirtschaftlichen Druck des Inklusionsbetriebes und den Fertigkeiten der jeweiligen Mitarbeitenden. Auch in schlechten Phasen muss er im Prinzip sozusagen „funktionieren“. Hier sind viele Gespräche nötig, um im Krisenfall zu schauen, ob derjenige aktuell überhaupt arbeitsfähig ist oder ob es ihm vielleicht helfen würde, mehr Pausen machen zu können, in denen er sich auch mal zurückzieht.“

„Eine weitere Herausforderung ist es, auch die unterschiedlichen Leistungspotenziale zu tolerieren. Beispielsweise gibt es Mitarbeitende, die nur sehr langsam arbeiten können, aber dafür sehr zuverlässig sind.“

„Bei Konflikten innerhalb eines Teams versuche ich, zu informieren, zu schlichten und Lösungen mit allen Beteiligten auszuarbeiten. Wir sehen, dass das Älterwerden unserer Inklusionsmitarbeitenden durchaus auch neue Herausforderungen mit sich bringt. Die Leistungsfähigkeit wird im Laufe der Zeit geringer und eigentlich bräuchte es dann höhere Eingliederungszuschüsse.

In meinem Job muss ich flexibel und Tagesaktuell auf das Geschehen eingehen können. Trotzdem ist es erforderlich, regelmäßig Präsenzzeiten zu planen. Es ist wichtig, ein Auge für beide Seiten zu haben, sowohl für den Arbeitnehmenden als auch für den Arbeitgebenden, der seine Aufträge erfüllen muss.

Die Rahmenbedingungen sind begrenzt veränderbar, daher braucht es ein hohes Maß an Kreativität, um immer wieder individuelle Lösungen zu finden. Mir macht das Spaß. Ich arbeite gern mit den Menschen“, endet Frau Sander.

 

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CAP-Märkte der gpe in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen

Die gpe muss aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die CAP-Märkte in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen.

Gestiegene Lebensmittelpreise führten bundesweit zu einem verändertem Konsumentenverhalten. Es werden zunehmend „Whitelabel“ Produkte, also Eigenmarken, gekauft. Damit sinkt die Gewinnmarge. Bei gleichbleibenden Wert des Einkaufsbons, aber kontinuierlich sinkenden Kundenzahlen und steigenden Energie- und Lohnkosten, entsteht ein erhebliches Defizit. Dies macht es der gpe unmöglich, die Märkte weiterhin als Inklusionsbetriebe zu betreiben.

Mit Vorlage des wirtschaftlichen Halbjahresergebnisses, welches für beide CAP-Märkte jeweils ein Defizit im sechsstelligen Bereich ausweist, musste die Entscheidung getroffen werden, diese zu schließen.

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit besonderem sozialen Auftrag. Sie unterliegen den ganz normalen marktwirtwirtschaftlichen Gegebenheiten. Zwischen 25 % und 50 % des Personals sind Menschen mit Behinderung. Inklusionsbetriebe haben daher oftmals einen höheren Personaleinsatz, da nicht alle Mitarbeiter mit Behinderung die volle Arbeitsleistung erbringen können.

Den Mitarbeitenden des CAP-Marktes Jugenheim wurde dieser Entschluss Ende  Juli mitgeteilt, die Schließung erfolgt zum 31.10.24.

Seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe stehen die Mitarbeitenden täglich unter Druck, sich vor Kunden rechtfertigen zu müssen. Zudem werden sie mit Gerüchten und Spekulationen konfrontiert, wie beispielsweise, dass der Markt bewusst nicht mehr vollständig beliefert werde, wenn mal ein Artikel ausgeht, oder dass technische Mängel absichtlich nicht behoben würden. Dies führt zu einer zusätzlichen und erheblichen Belastung für die Mitarbeitenden, die sich selbstverständlich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen.

Um eine solche Situation in Weisenau zu vermeiden, haben wir uns entschieden, die Mitarbeitenden zeitnah vor der Schließung zu informieren. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem klar war, dass für alle eine Weiterbeschäftigung innerhalb der gpe gesichert werden kann. Diese Entscheidung trägt dazu bei, den psychischen Druck auf unsere Mitarbeitenden zu minimieren und ihnen gleichzeitig die Sicherheit zu geben, dass sie auch weiterhin ein Teil unseres Unternehmens bleiben werden. Es wird daher keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Als gpe sind wir immer bestrebt neue Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu generieren und zu schaffen. Die Schließung von Betriebsstätten ist auch für uns ein sehr schwerer Schritt.