Kunstwerkstatt BUNT muss 2023 aufgelöst werden

Seit unserer Gründung fühlen wir, die gpe Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH, uns dem Grundsatz der gemeindenahen Psychiatrie verpflichtet: Psychisch beeinträchtigte Menschen sollen dort leben, wohnen, arbeiten und behandelt werden können, wo auch vermeintlich „Nicht-beeinträchtigte“ Menschen wohnen, leben und arbeiten. Nach diesem Prinzip ist das ServiceCenter der gpe, eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM), organisiert. Jetzt sehen wir dieses fortschrittliche und sehr erfolgreiche Konzept gefährdet, weil das Land Rheinland-Pfalz die Pachtkosten für die dezentralen Standorte nicht mehr übernehmen will. Stattdessen sollen diese Kosten durch den Werkstattbetrieb erwirtschaftet werden.

Um das Risiko für die gpe zu begrenzen, ist die Geschäftsführung gezwungen, sich von Liegenschaften, deren Verlängerung des Pachtvertrages ansteht, zu trennen und das Pachtverhältnis nicht fortzuführen. Dies trifft als erstes unsere Kunstabteilung BUNT, deren Liegenschaft wir zum 31.03.2023 aufgeben müssen. Die dort entstehenden Pachtkosten können bei weitem nicht über die Erlöse der Abteilung BUNT gedeckt werden. Für die Menschen, die in der Kunstwerkstatt arbeiten und sehr von der kreativen Arbeit profitieren, ist die (von der gpe garantierte) Beschäftigung in anderen Werkstattabteilungen keine Alternative, weshalb sich einige von ihnen an die Öffentlichkeit gewandt haben.

Hintergrund: Neues Finanzierungsmodell

Vor mehr als einem Jahr teilte das Sozialministerium mit, dass alle angemieteten Liegenschaften des ServiceCenters in vollem Umfang der wirtschaftlichen Betätigung zuzurechnen seien und damit die Pachtkosten nicht im Vergütungssatz für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung anerkannt werden können. Seither gab es zahlreiche Interventionen, zuletzt bei Herrn Minister Schweitzer persönlich durch den Landesgeschäftsführer der Parität und den Vorsitzenden der LAG WfbM. Auch unser Betriebsratsvorsitzender nutzte eine Gelegenheit, Herrn Schweitzer hierauf anzusprechen. Bis Freitag vergangener Woche erhielten wir keinerlei weitere Nachricht in dieser Sache aus dem Sozialministerium.

Auf Rückfrage einer Journalistin, die nach Hinweis von Betroffenen in dieser Sache recherchiert, bestätigte das Sozialministerium in einer Stellungnahme seine bisherige Rechtsauffassung, was faktisch das „Aus“ für die dezentrale Struktur des ServiceCenters bedeutet.

Hintergrund: Sozialraumorientierung der WfbM

Das Konzept der gpe zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die sozialraumorientierte Ausrichtung ihrer WfbM findet bundesweite Beachtung und könnte durchaus Modell für die Weiterentwicklung von Werkstätten sein. Durch die Integration kleiner Arbeitsgruppen in den Sozialraum (hier: Stadt oder Stadtteile) wird vorbildlich eine Nähe zum ersten Arbeitsmarkt hergestellt. Dass es sich bei den in den Sozialraum integrierten Einheiten um ein erfolgreiches Modell einer WfbM handelt, lässt sich schon daran erkennen, dass allein in den drei Jahren vor der Pandemie (2017 bis 2019) insgesamt 23 Menschen in den allgemeinen Arbeitsmarkt integriert werden konnten (entspricht fast 9 % der durchschnittlichen Plätze im Arbeitsbereich). Bundesweit liegt die jährliche Übergangsquote unter 1 %.

Hintergrund: Erlöse von WfbM

Die Nicht-Anerkennung der Pachtkosten durch den Leistungsträger (hier: das Land) wird dazu führen, dass der Aufwand für die Pacht voll in das Arbeitsergebnis der Werkstatt eingerechnet werden muss. Da 70 % des Arbeitsergebnisses in die Löhne der Werkstattbeschäftigten fließen, hätte dies zur Folge, dass die Werkstattlöhne sehr deutlich reduziert werden müssen. Genau dies ist aber laut § 125 SGB IX nicht erlaubt („Das Arbeitsergebnis des Leistungserbringers darf nicht dazu verwendet werden, die Vergütung des Trägers der Eingliederungshilfe zu mindern.“) Auch liegt der Auftrag von WfbM nicht darin, Überschüsse zu erzielen, sondern Menschen mit Behinderung zu fördern und ihnen eine sinnvolle Arbeit zu ermöglichen.

Defacto: Rückschritt für die Inklusion

Die Haltung des Sozialministeriums ist umso unverständlicher, als das von der gpe umgesetzte Prinzip der so genannten Sozialraumorientierung im 2021 in Kraft getretenen Bundesteilhabegesetz ausdrücklich gefordert wird. Durch die o.g. Entscheidung ist die gpe jedoch gezwungen, ihre Abteilungen zu zentralisieren, also den entgegengesetzten Weg einzuschlagen. (Wobei bezweifelt werden kann, dass dies kostengünstiger wäre, als die bisher vorgehaltenen Einheiten.) Für die Inklusion von Menschen mit Behinderung bedeutet die Rückkehr zu großen, zentralen Werkstätten einen Rückschritt, den wir sehr bedauern.

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CAP-Märkte der gpe in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen

Die gpe muss aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die CAP-Märkte in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen.

Gestiegene Lebensmittelpreise führten bundesweit zu einem verändertem Konsumentenverhalten. Es werden zunehmend „Whitelabel“ Produkte, also Eigenmarken, gekauft. Damit sinkt die Gewinnmarge. Bei gleichbleibenden Wert des Einkaufsbons, aber kontinuierlich sinkenden Kundenzahlen und steigenden Energie- und Lohnkosten, entsteht ein erhebliches Defizit. Dies macht es der gpe unmöglich, die Märkte weiterhin als Inklusionsbetriebe zu betreiben.

Mit Vorlage des wirtschaftlichen Halbjahresergebnisses, welches für beide CAP-Märkte jeweils ein Defizit im sechsstelligen Bereich ausweist, musste die Entscheidung getroffen werden, diese zu schließen.

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit besonderem sozialen Auftrag. Sie unterliegen den ganz normalen marktwirtwirtschaftlichen Gegebenheiten. Zwischen 25 % und 50 % des Personals sind Menschen mit Behinderung. Inklusionsbetriebe haben daher oftmals einen höheren Personaleinsatz, da nicht alle Mitarbeiter mit Behinderung die volle Arbeitsleistung erbringen können.

Den Mitarbeitenden des CAP-Marktes Jugenheim wurde dieser Entschluss Ende  Juli mitgeteilt, die Schließung erfolgt zum 31.10.24.

Seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe stehen die Mitarbeitenden täglich unter Druck, sich vor Kunden rechtfertigen zu müssen. Zudem werden sie mit Gerüchten und Spekulationen konfrontiert, wie beispielsweise, dass der Markt bewusst nicht mehr vollständig beliefert werde, wenn mal ein Artikel ausgeht, oder dass technische Mängel absichtlich nicht behoben würden. Dies führt zu einer zusätzlichen und erheblichen Belastung für die Mitarbeitenden, die sich selbstverständlich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen.

Um eine solche Situation in Weisenau zu vermeiden, haben wir uns entschieden, die Mitarbeitenden zeitnah vor der Schließung zu informieren. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem klar war, dass für alle eine Weiterbeschäftigung innerhalb der gpe gesichert werden kann. Diese Entscheidung trägt dazu bei, den psychischen Druck auf unsere Mitarbeitenden zu minimieren und ihnen gleichzeitig die Sicherheit zu geben, dass sie auch weiterhin ein Teil unseres Unternehmens bleiben werden. Es wird daher keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Als gpe sind wir immer bestrebt neue Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu generieren und zu schaffen. Die Schließung von Betriebsstätten ist auch für uns ein sehr schwerer Schritt.