WfbM-Beschäftigte gestalten ihre eigene digitale Bildungsplattform

Tablet, Smartphone, Computer – kaum jemand kommt noch ohne sie aus. Deshalb steht außer Frage, dass auch Menschen mit Behinderung an der digitalen Welt teilhaben sollen. So jedenfalls sieht man dies im ServiceCenter der gpe, der Gesellschaft für psychosoziale Einrichtungen gGmbH in Mainz. Das ServiceCenter ist eine anerkannte WfbM. Hier finden Menschen mit vorwiegend psychischer Beeinträchtigung Angebote zur Rehabilitation und Qualifikation.

Pandemie als Anstoß

Als 2020 ein Betretungsverbot über die Werkstätten verhängt wurde, war schnell klar, dass die Kommunikation mit den Klient*innen ins Virtuelle verlegt werden musste. Zum einen, um drohender Vereinsamung zuvorzukommen, zum anderen, um die Bildungsinhalte weiterhin zur Verfügung zu stellen. Der erste Schritt war schnell getan: Tipps zur Gestaltung des Alltags im Lockdown, Lernstoff und auch unterhaltsame Angebote wurden auf einfache Weise digitalisiert und in einem passwortgeschützten Bereich der Firmenwebsite zum Download angeboten.

Inklusives Projektteam

Das digitale Arbeiten funktionierte auf Anhieb gut, so dass Anfang 2021 das Projektteam „E-Learning“ gegründet wurde – mit dem Ziel, eine interaktive Bildungsplattform für die gesamte Werkstatt zu entwickeln. Dementsprechend sind darin unterschiedliche Personengruppen vertreten: Werkstattbeschäftige, Fachanleiter*innen, Pädagog*innen und Führungskräfte. In Zukunft sollen alle diese Gruppen mit der Plattform arbeiten

Genutzt werden soll sie für Schulungen in den Werkstattabteilungen, beispielsweise den Küchen, wozu auch Video- und Tonaufnahmen eingestellt werden können. Auch Praxiswissen unterschiedlichster Art wird zu finden sein, etwa zum Thema Umweltschutz, zum Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und den Unterstützungsangeboten der gpe. Lernstoff kann mit Hilfe von Lückentexten, Kreuzworträtseln oder Memorys selbst überprüft werden, und auch kleine „Gehirnsnacks“, kognitive Aufgaben für zwischendurch, stehen zur Verfügung.

Neues Beschäftigungsfeld für Werkstatt-Mitarbeitende

Der bedeutendste Aspekt des Projekts ist jedoch, dass Werkstattmitarbeitende sowohl in die Entwicklung als auch die Umsetzung eingebunden sind. Hier erschließt sich ihnen ein völlig neues Arbeitsfeld: Von der Auswahl der Inhalte über deren technische Umsetzung und die Pflege der Plattform ist alles möglich. Und: Die digitale Arbeit bildet eine vielversprechende Brücke in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Schon jetzt hat sich gezeigt, dass sich Mitarbeitende mit Kenntnissen im Digitalbereich spezielle Berufsbereiche erfolgreich erschließen können.

Begegnung auf Augenhöhe

Insgesamt werden im ServiceCenter derzeit 15 Menschen mit Behinderung für die digitale Zukunft geschult, ein Teil von ihnen arbeitet bereits aktiv an der Umsetzung der Bildungsplattform mit. Diese ist derzeit in der Pilotphase, danach soll sie sukzessive in allen Werkstattabteilungen der gpe eingeführt werden. Auf Dauer dürfte sich auszahlen, dass die Präsenzangebote durch die Onlineangebote eine optimale Ergänzung erfahren und das Lernen effektiver wird. Und noch etwas hat sich in der Arbeitsgruppe schnell gezeigt: Die digitalen Kompetenzen und Defizite sind gleichmäßig auf alle beteiligten Gruppen verteilt. Die Bildungsplattform ist ein wahres Projekt „auf Augenhöhe“.

Florian S. ist von Anfang an dabei. Er ist an der Entwicklung von Inhalten beteiligt, gibt Texte ein und sucht nach passenden Videos. Im nächsten Schritt will die Arbeitsgruppe die Videos zu den Lerninhalten selbst erstellen. Carmen H. und Florian S. machen sich bereits mit dem Video-Equipment vertraut.

Foto: ©gpe

Carmen H. ist computerbegeistert und nach der Vorstellung des Pilotprojekts in die Arbeitsgruppe eingestiegen. Sie erstellt selbstständig Kurse, recherchiert Inhalte und fügt interaktive Elemente wie Kreuzworträtsel und Memorys ein, mit denen Wissen eigenständig überprüft werden kann.

Foto: ©gpe

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CAP-Märkte der gpe in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen

Die gpe muss aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die CAP-Märkte in Mainz-Weisenau und Jugenheim/Rheinhessen schließen.

Gestiegene Lebensmittelpreise führten bundesweit zu einem verändertem Konsumentenverhalten. Es werden zunehmend „Whitelabel“ Produkte, also Eigenmarken, gekauft. Damit sinkt die Gewinnmarge. Bei gleichbleibenden Wert des Einkaufsbons, aber kontinuierlich sinkenden Kundenzahlen und steigenden Energie- und Lohnkosten, entsteht ein erhebliches Defizit. Dies macht es der gpe unmöglich, die Märkte weiterhin als Inklusionsbetriebe zu betreiben.

Mit Vorlage des wirtschaftlichen Halbjahresergebnisses, welches für beide CAP-Märkte jeweils ein Defizit im sechsstelligen Bereich ausweist, musste die Entscheidung getroffen werden, diese zu schließen.

Inklusionsbetriebe sind Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes mit besonderem sozialen Auftrag. Sie unterliegen den ganz normalen marktwirtwirtschaftlichen Gegebenheiten. Zwischen 25 % und 50 % des Personals sind Menschen mit Behinderung. Inklusionsbetriebe haben daher oftmals einen höheren Personaleinsatz, da nicht alle Mitarbeiter mit Behinderung die volle Arbeitsleistung erbringen können.

Den Mitarbeitenden des CAP-Marktes Jugenheim wurde dieser Entschluss Ende  Juli mitgeteilt, die Schließung erfolgt zum 31.10.24.

Seit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe stehen die Mitarbeitenden täglich unter Druck, sich vor Kunden rechtfertigen zu müssen. Zudem werden sie mit Gerüchten und Spekulationen konfrontiert, wie beispielsweise, dass der Markt bewusst nicht mehr vollständig beliefert werde, wenn mal ein Artikel ausgeht, oder dass technische Mängel absichtlich nicht behoben würden. Dies führt zu einer zusätzlichen und erheblichen Belastung für die Mitarbeitenden, die sich selbstverständlich Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen.

Um eine solche Situation in Weisenau zu vermeiden, haben wir uns entschieden, die Mitarbeitenden zeitnah vor der Schließung zu informieren. Und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem klar war, dass für alle eine Weiterbeschäftigung innerhalb der gpe gesichert werden kann. Diese Entscheidung trägt dazu bei, den psychischen Druck auf unsere Mitarbeitenden zu minimieren und ihnen gleichzeitig die Sicherheit zu geben, dass sie auch weiterhin ein Teil unseres Unternehmens bleiben werden. Es wird daher keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Als gpe sind wir immer bestrebt neue Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung zu generieren und zu schaffen. Die Schließung von Betriebsstätten ist auch für uns ein sehr schwerer Schritt.